Kollektives Arbeitsrecht
Informationsansprüche nach § 80 Abs. 2 BetrVG; was sagt die Rechtsprechung?
Der allgemeine Informationsanspruch des Betriebsrates ist in § 80 Abs. 2 BetrVG geregelt. Dieser ist für die alltägliche Betriebsratsarbeit von großer Bedeutung.
Der Informationsanspruch dient dazu, den Betriebsrat mit Informationen zu versorgen, damit dieser seine Betriebsratsaufgaben ordnungsgemäß wahrnehmen kann. Der Gesetzgeber ging bei der Regelung des Informationsanspruchs davon aus, dass nur ein Betriebsrat, der umfassend informiert ist, seinen betriebsverfassungsrechtlichen Auftrag im Interesse der Arbeitnehmer zufriedenstellend erfüllen kann.
Der nachfolgende Beitrag soll sich mit dem Umfang und dem Zeitpunkt der dem Arbeitgeber obliegenden Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen.
Die Regelung des § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG bestimmt, dass der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend vom Arbeitgeber zu unterrichten ist.
Hierbei erstreckt sich die Unterrichtungspflicht gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat also auch Informationen über freie Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer sowie über die der Beschäftigung von Arbeitnehmern aus Fremdfirmen zugrunde liegenden Verträge zu übermitteln.
Zunächst möchten wir auf die Reichweite des Informationsanspruchs eingehen, bevor wir dann auf die praktische Umsetzung eingehen.
Grundsätzlich hat der Betriebsrat einen Informationsanspruch auf alle Informationen des Arbeitgebers, die notwendig sind, um selbstständig zu prüfen, ob sich für ihn Betriebsratsaufgaben nach § 80 Abs. 1 BetrVG ergeben. Ausreichend ist hierbei, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Betriebsratsaufgaben vorliegt (BAG, vom 15.12.1998 - 1 ABR 9/98).
Die Grenzen des Informationsanspruchs liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht des Betriebsrates offensichtlich nicht in Betracht kommt. So hat der Betriebsrat beispielsweise kein Mitbestimmungsrecht bei der Installation von Fahrtenschreibern in Lkw, weil diese gesetzlich vorgeschrieben sind.
Ein Informationsanspruch steht dem Betriebsrat nur dann zu, wenn er von den für die Wahrnehmung seiner Betriebsratsaufgaben notwendigen Informationen noch keine Kenntnis hat.
Sofern sich der Betriebsrat die Informationen auf andere Weise beschafft hat, kann er sich nicht mehr auf den Informationsanspruch berufen.
In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob der Betriebsrat auch dann Informationen vom Arbeitgeber verlangen kann, wenn Arbeitnehmer, die zugleich Betriebsratsmitglied sind, Zugang zu Daten oder Auswertungen haben und damit über entsprechende Kenntnisse bereits verfügen.
Der Arbeitgeber muss auch in diesem Fall von einem Informationsanspruch des Betriebsrates ausgehen und den Betriebsrat entsprechend informieren.
Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Betriebsrat nicht immer als Gremium zusammenarbeitet, sondern dass es auch zu einer Aufgabenverteilung unter den Betriebsratsmitgliedern kommen kann. Dementsprechend kommt es auch nicht immer zu einem entsprechenden Informationsaustausch unter den Betriebsratsmitgliedern. Jedes Betriebsratsmitglied muss also von vornherein über den gleichen Kenntnisstand verfügen.
Achtung:
Der Betriebsrat als Gremium muss sich das Wissen, das ein einzelnes Betriebsratsmitglied kraft seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer hat, nicht zurechnen lassen.
Der Arbeitgeber kann grundsätzlich entscheiden, in welcher Form er den Betriebsrat unterrichtet. Denkbar ist also auch eine mündliche Unterrichtung des Betriebsrates. Sofern es sich jedoch um umfangreiche und komplexe Sachverhalte handelt, muss der Arbeitgeber die Informationen schriftlich mitteilen.
Darüber hinaus muss der Betriebsrat rechtzeitig und umfassend unterrichtet werden.
Rechtzeitig bedeutet, dass die Information zu einem Zeitpunkt erfolgen muss, der es dem Betriebsrat ermöglicht, seine Beteiligungsrechte noch auszuüben und hierdurch Einfluss auf die Entscheidung des Arbeitgebers zu nehmen. Eine umfassende Unterrichtung liegt immer dann vor, wenn der Betriebsrat die notwendige Kenntnis erlangt, um seine betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben durchführen zu können. Dies hängt maßgeblich vom jeweiligen Aufgabenbezug ab.
Der Betriebsrat muss den Arbeitgeber hierbei nicht gesondert zur Informationspreisgabe auffordern. Vielmehr muss der Arbeitgeber eigenständig prüfen, ob er über entsprechende Informationen verfügt, die der Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben benötigt.
Sodann muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Unterlagen zumindest in Abschrift überlassen muss. Der Betriebsrat muss sie ohne Beisein des Arbeitgebers auswerten können.
Tipp:
Sobald der Arbeitgeber dem Betriebsrat Unterlagen überlässt, sollte dies zeitlich befristet erfolgen. Hierbei muss dem Betriebsrat ein angemessener Zeitraum zur Prüfung eingeräumt werden, was regelmäßig vom Umfang der überlassenen Unterlagen abhängig ist.
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, dem Betriebsrat Informationen zu beschaffen, zu denen er bislang keine Daten erhoben hat.
Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat in Erfüllung seiner allgemeinen Unterrichtungspflicht nur solche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die beim Arbeitgeber bereits vorhanden sind. Eine Verpflichtung zur Erstellung von Unterlagen für den Betriebsrat besteht grundsätzlich nicht (vgl. LAG München, 24.06.2004 – 3TaBV 63/03).
Der Informationsanspruch des Betriebsrates erstreckt sich in erster Linie auf die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Arbeitnehmer sind nach § 5 Abs. 1 BetrVG Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden.
Darüber hinaus erstreckt sich der Informationsanspruch des Betriebsrates nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG auch auf Personen, die zwar für den Betrieb tätig sind, aber nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betrieb stehen. Dementsprechend hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat auch Informationen über freie Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer sowie über die der Anstellung von Arbeitnehmern aus Fremdfirmen zugrunde liegenden Verträge (beispielsweise auf der Basis von Werkverträgen) zu übermitteln.
Der Arbeitgeber schuldet auch hier diejenigen Informationen, die der Betriebsrat benötigt, um beurteilen zu können, ob und inwieweit Mitbestimmungsrechte vorliegen.
Achtung:
Dies gilt nicht für Personen, die nur kurzfristig im Betrieb beschäftigt sind.
Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vor, wenn die Beschäftigung für eine Zeitdauer ausgeübt wird, die im Laufe eines Kalenderjahres auf nicht mehr als zwei Monate oder insgesamt 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist.
Der Betriebsrat ist unter gewissen Umständen auch berechtigt, sich erforderliche Informationen selbst zu beschaffen.
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Wortlaut des § 80 Abs. 2 BetrVG die eigenmächtige Informationsbeschaffung des Betriebsrats nicht vorsieht. Dementsprechend kann sich der Betriebsrat auch nur dann Informationen selbst beschaffen, wenn der Arbeitgeber diese nicht freiwillig herausgibt.
In diesem Fall muss der Betriebsrat den Arbeitgeber zunächst auffordern, seiner Unterrichtungspflicht nachzukommen.
Achtung:
Sofern eine rechtzeitige Informationsbeschaffung durch den Arbeitgeber nicht mehr möglich ist, kann der Betriebsrat auf eine derartige Aufforderung verzichten.
Kommt der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht trotz Aufforderung des Betriebsrats nicht nach, kann sich der Betriebsrat zu Informationszwecken personeller Unterstützung durch betriebliche Auskunftspersonen oder Sachverständige bedienen.
Soweit es zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist, kann der Betriebsrat nach § 80 Abs. 3 BetrVG bei der Durchführung seiner Betriebsratsaufgaben auch einen Sachverständigen hinzuziehen.
Achtung:
Vor der Hinzuziehung eines Sachverständigen muss der Betriebsrat jedoch alle betrieblichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft haben. Das bedeutet, dass der Betriebsrat zunächst den internen Sachverstand der Belegschaft zu Informationszwecken zu nutzen hat.
Erst danach kommt die Hinzuziehung eines Sachverständigen in Betracht.
Dem Betriebsrat steht ein Beurteilungsspielraum zu, soweit es um die Frage geht, ob die Hinzuziehung eines Sachverständigen überhaupt erforderlich ist und ob die Aufgabe des Sachverständigen nur von einer außerbetrieblichen Person wahrgenommen werden kann, um die zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben fehlende Sach- und Fachkunde zu vermitteln.
Achtung:
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG nur nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zulässig ist. Sie setzt also voraus, dass eine Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber zustande gekommen ist (BAG, vom 25.04.1978, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 11).
Tipp:
Kommt eine derartige Vereinbarung nicht zustande, so ist eine Hinzuziehung nur dann zulässig, wenn ein entsprechender Zustimmungsersetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts vorliegt. Fehlt es hieran, ist der Arbeitgeber nicht zur Kostentragung verpflichtet.
Der Betriebsrat ist nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG berechtigt, Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten zu nehmen.
Das Einsichtsrecht erstreckt sich auf die Aufzeichnungen über die Bruttoentgelte, einschließlich der übertariflichen Zulagen (BAG vom 30.04.1974 AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 1).
Hierbei ist es unerheblich, ob die übertarifliche Zulage aus einer kollektiven oder individuellen Vereinbarung herrührt.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass dem Betriebsrat das Einsichtsrecht nicht als Gremium zusteht.
In Betrieben mit mindestens 201 Arbeitnehmern darf der Betriebsausschuss Einsicht in die entsprechenden Aufzeichnungen nehmen.
In Betrieben mit weniger Arbeitnehmern ist hierzu lediglich der Betriebsratsvorsitzende oder der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende berechtigt.
Das Einsichtsrecht stellt – wie auch der Anspruch auf Überlassung der erforderlichen Unterlagen – eine Ergänzung des allgemeinen Informationsanspruchs dar.
Umstritten ist, ob der Arbeitgeber ein Anwesenheitsrecht hat, wenn der Betriebsrat Einsicht in die Lohn- und Gehaltslisten nimmt.
Auch hier ist wieder auf den Sinn und Zweck des Informationsanspruchs abzustellen. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu informieren, damit dieser seine Betriebsratsaufgaben ohne Probleme erfüllen kann. Dies schließt nicht aus, dass der Arbeitgeber bei der Einsichtnahme anwesend ist.
Hier muss grundsätzlich zwischen Personaldaten und sensiblen Personaldaten unterschieden werden.
Grundsätzlich steht die fehlende Einwilligung des Arbeitnehmers der Herausgabe der Personaldaten an den Betriebsrat nicht entgegen.
So ist der Arbeitgeber beispielsweise verpflichtet, dem Betriebsrat die Namen der Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen innerhalb eines Jahres auch dann mitzuteilen, wenn diese der Weitergabe nicht zugestimmt haben. Die Erhebung und Nutzung dieser Angaben sind zur Erfüllung der sich für den Arbeitgeber aus § 84 Abs. 2 SGB IX ergebenden Pflichten nach § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG zulässig.
Dies umfasst auch die Übermittlung derartiger Angaben an den Betriebsrat. Durch solche Auskünfte wird nämlich die Privatsphäre des Arbeitnehmers regelmäßig noch nicht verletzt, sodass sein Geheimhaltungsinteresse hinter dem Interesse aller anderen Arbeitnehmer an der Unterrichtung des Betriebsrats zurücktreten muss.
Darüber hinaus ist der Betriebsrat nicht als Dritter im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 BDSG anzusehen. Vielmehr stellt der Betriebsrat einen Teil des Betriebes dar, für den er als gewählte Arbeitnehmervertretung zuständig ist.
Dementsprechend steht die fehlende Einwilligung des Arbeitnehmers der Herausgabe der Personaldaten an den Betriebsrat auch nicht entgegen.
Ob die Übermittlung von personenbezogenen, sensiblen Daten die Einwilligung des jeweiligen Arbeitnehmers voraussetzt, ist umstritten.
Einerseits wird vertreten, der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, gegen den ausdrücklich erklärten Willen einer schwangeren Arbeitnehmerin den Betriebsrat über die konkrete Person der schwangeren Arbeitnehmerin zu unterrichten. Eine derartige Unterrichtung stelle nämlich einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der schwangeren Arbeitnehmerin dar, der nur gerechtfertigt sei, wenn hierfür ein konkreter Anlass bestünde.
Dem Informationsanspruch sei regelmäßig schon dann Genüge getan, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat unverzüglich über die ihm bekannt gewordenen Fälle von Schwangerschaften im Betrieb informiere.
Andererseits wird vertreten, der Betriebsrat sei von Gesetzes wegen gehalten, bei schwangeren Arbeitnehmerinnen die Einhaltung des Mutterschutzgesetzes zu überwachen. Deshalb müsse ihn der Arbeitgeber auch über die ihm bekannt gewordenen Schwangerschaften informieren.
Dies gelte auch dann, wenn die betroffenen Arbeitnehmerinnen die Weitergabe dieser Information untersagt haben.
Im Ergebnis darf die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nicht durch das Persönlichkeitsrecht der schwangeren Arbeitnehmerin eingeschränkt werden. Zwar ist eine schwangere Arbeitnehmerin grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber die Schwangerschaft mitzuteilen. Wenn die schwangere Arbeitnehmerin sich jedoch hierzu entschließt, wird sie dies regelmäßig zu ihrem eigenen Schutz tun. Der Arbeitgeber ist sodann verpflichtet, die für die Schwangere günstigen Schutzvorschriften zu beachten, deren Einhaltung wiederum der Betriebsrat zu überwachen hat.
Dementsprechend ist die fehlende Einwilligung der Schwangeren zur Weitergabe dieser Information unschädlich. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Schwangerschaft namentlich mitzuteilen.
Über Streitigkeiten hinsichtlich der Pflicht des Arbeitgebers, den Betriebsrat zu unterrichten und ihm auf Verlangen die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, über das Recht auf Einblick in die Lohn- und Gehaltslisten sowie über das Recht einen Sachverständigen hinzuzuziehen entscheidet gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 i.V.m. §§ 80 ff. ArbGG das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren.
Soweit der Arbeitgeber die ihm obliegende Unterrichtungs- und Vorlagepflicht nicht erfüllt, kann der Betriebsrat im Beschlussverfahren auch eine einstweilige Verfügung beantragen oder im Hauptsacheverfahren einen Unterlassungsanspruch gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG geltend machen.
In diesem Beitrag haben wir Ihnen sowohl den Umfang, als auch die Grenzen des allgemeinen Informationsanspruchs des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG dargelegt.
Für Sie als Arbeitgeber ist es von besonderer Wichtigkeit, die Grenzen des allgemeinen Informationsanspruchs zu kennen. Nur wer sich als Arbeitgeber seiner Rechte und Pflichten bewusst ist, kann den teilweise ungerechtfertigten Begehrlichkeiten des Betriebsrates wirksam entgegentreten.
Rechte und Pflichten der Jugend- und Auszubildendenvertretung
Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich die Strukturen bei der Ausbildung von jungen Menschen enorm verändert. Dieser Veränderung, die u. a. auf den unterschiedlichen Interessenlagen zwischen erwachsenen Arbeitnehmern und Jugendlichen bzw. Auszubildenden beruhen, zollte der Gesetzgeber das Erste mal in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts Rechnung, in dem er spezielle Regelungen bezogen auf Jugendliche bzw. Auszubildende in das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) einführte. Diese wurden mit der Reform des BetrVG im Jahre 2001 weiter ausgebaut bzw. gestärkt. Kern dieser Regelungen ist die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV). Die JAV ist nach § 60 Abs. 2 BetrVG die Vertretung von Jugendlichen unter 18 Jahren und der zur Berufsausbildung Beschäftigten unter 25 Jahren in einem Betrieb oder einer Behörde. Die JVA ist dabei eine zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretung, deren Zusammensetzung, Aufgaben und Befugnisse explizit im Gesetz geregelt sind. Die JVA stellt allerdings kein selbstständiges, gleichberechtigtes Organ neben dem Betriebsrat dar. Es handelt sich vielmehr um ein zusätzliches Gremium, durch das die besonderen Interessen junger Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat vertreten werden.
Der Gesetzgeber hat im dritten Teil des BetrVG in den §§ 60 bis 73b BetrVG Regelungen über die Jugend- und Auszubildendenvertretungen festgelegt. Grundvoraussetzung für die Wahl einer JAV ist, dass im Betrieb, in dem eine solche gewählt werden soll, ein Betriebsrat existiert. Zusätzlich muss der Betrieb in der Regel mindestens fünf Wahlberechtigte beschäftigen (§ 60 Abs. 1 BetrVG). Wahlberechtigt ist die oben beschriebene Gruppe. Dabei ist nach § 65 I BetrVG iVm. § 26 I BetrVG in gesonderten Wahlgängen ein Vorsitzender und ein Stellvertreter zu wählen.
Die JAV hat verschiedene innerbetriebliche Rechte, durch die sie in der Lage ist, Ihre Interessen durchzusetzen.
aa) Teilnahme an Betriebs- bzw. Personalratssitzungen
Die JVA hat das Recht an jeder Sitzung des Betriebsrates durch einen Vertreter teilzunehmen. Insofern ist der Betriebsrat verpflichtet, die JAV rechtzeitig durch Übersendung der Tagesordnung von der bevorstehenden Betriebsratssitzung zu informieren. Sofern der Betriebsrat einen Betriebsausschuss oder weitere Ausschüsse verfügt, besteht auch hierfür ein Teilnahmerecht. Ob die JAV einen Vertreter schickt, liegt in ihrem eigenen Ermessen, weshalb eine frühzeitige umfassende Information durch den Betriebsrat gewährleistet sein muss.
bb) Teilnahme an Besprechungen zwischen Betriebs-/Personalrat und Arbeitgeber
Ein weiteres Teilnahmerecht kann bei der Durchführung von Besprechungen zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber besten. Dies ist nach § 68 BetrVG immer dann der Fall, wenn Angelegenheiten zu Diskussion stehen, die „besonders die in § 60 Abs. 1 BetrVG genannten Arbeitnehmer“ betreffen.
cc) Mitbestimmungsrechte
Zusätzlich zu den Teilnahmerechten besitzt die JVA in Einzelfällen Mitbestimmungsrechte im Betriebsrat. Ein volles Stimmrecht besteht nach § 67 Abs.2 S.1 BetrVG, sofern die im Betriebsrat zu fassenden Beschlüsse überwiegend die jugendlichen Arbeitnehmer und Auszubildenden betreffen. Dies ist der Fall, wenn der konkrete Beschluss zahlenmäßig mehr Jugendliche bzw. Auszubildende unter 25 Jahren betroffen sind, als übrige Arbeitnehmer.
Wenn die Mehrheit der JAV-Vertreter einen Beschluss des Betriebsrats als erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen Jugendlicher bzw. die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Arbeitnehmern erachtet, so ist auf Antrag hin der Beschluss eine Woche auszusetzen, um in dieser Zeit zu versuchen, eine Verständigung zu erreichen.
dd) Initiativrecht
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung kann für die Sitzung des Betriebsrates die Aufnahme eines Tagesordnungspunktes beantragen, sofern dieser die besonders den Jugendlichen oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Arbeitnehmern Interessen betrifft. Weitere Voraussetzung ist, dass durch die JAV im Vorfeld eine Vorberatung stattgefunden hat. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist der Betriebsrat verpflichtet, den beantragten Beratungsgegenstand in der nächsten Sitzung zu behandeln.
Hinweis
Eine Möglichkeit bzw. ein Recht, eine Betriebsratssitzung zu beantragen bzw. zu erzwingen steht der JAV nicht zu.
ee) Aussetzungsrecht
Sieht die Mehrheit der Jugend- und Auszubildendenvertreter einen Beschluss des Betriebsrats als Beeinträchtigung wichtiger Interessen der in § 60 Abs.1 BetrVG genannten Arbeitnehmer, ist auf Antrag des JAV nach § 66 Abs. 1 BetrVG der Beschluss des Betriebsrats für eine Woche auszusetzen. Diese Woche soll eine Verständigung zwischen der JAV und dem Betriebsrat gegebenenfalls mithilfe der vertretenen Gewerkschaften ermöglichen.
Hinweis
Der Betriebsrat ist in diesem Fall verpflichtet, sich mit den vorgetragenen Argumenten der JAV auseinanderzusetzen und über die Angelegenheit, unter Berücksichtigung der Einwände, erneut einen Beschluss zu fassen.
ff) Informationspflicht des Betriebsrats
Allgemeine
Der Betriebsrat ist nach § 70 Abs.2 Satz 1 BetrVG dazu verpflichtet, die JAV „rechtzeitig und umfassend“ zur Durchführung ihrer Aufgaben zu informieren, um so der JAV die Möglichkeit zu geben, ihre Aufgaben ordnungsgemäß und sachgerecht zu erledigen. Diese mit der Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat vergleichbare Pflicht, hat der Betriebsrat ohne besonderen Antrag vorzunehmen.
Zusätzlich hat der Betriebsrat nach § 70 Abs.2 Satz 2 BetrVG auf Verlangen der JAV „die zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung“zu stellen. Der JAV muss in die Lage versetzt werden, seine Beschlüsse auf der Grundlage der Unterlagen des Betriebsrates zu fassen.
Hinweis
Unter dem Begriff der Unterlagen sind nicht nur solche Unterlagen zu verstehen, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat zugeleitet hat. Sondern auch alle Unterlagen, die dem Betriebsrat auf andere Weise zugänglich gemacht wurden bzw. solche, die sich der Betriebsrat selbst besorgt hat.
Besonderes
Soll auf eigene Initiative des Betriebsrates eine Angelegenheit behandelt werden, welche die besonders den Jugendlichen oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten Arbeitnehmern Interessen betrifft, soll der Betriebsrat nach § 67 Abs. 3 Satz 2 BetrVG die Angelegenheit vorab an die JAV leiten. Sinn dieser Vorschrift ist es, der JAV ein Vorbereitungsrecht einzuräumen, um im Zuge der Betriebsratssitzung in der Lage zu sein, die Interessen Ihrer Gruppe angemessen zu vertreten.
aa) Sprechstunde
Sind in einem Betrieb mehr als 50 der in § 60 Abs.1 BetrVG genannten Arbeitnehmer beschäftigt, kann die JAV nach § 69 BetrVG eine Sprechstunde während der Arbeitszeit einrichten. Die Sprechstunde ist dafür gedacht, dass die JAV im Gespräch mit den betroffenen Arbeitnehmern über die spezielle Situationen am Arbeitsplatz informiert wird und so die Gelegenheit zu bekommen, die so gewonnen Erkenntnisse in ihre weiteren Beratungen bzw. Beschlussfassungen einzubeziehen oder in sachbezogen gegenüber dem Betriebsrat tätig zu werden.
bb) Versammlung
Die JAV hat das Recht im Einvernehmen mit dem Betriebsrat nach § 71 S. 1 BetrVG eine betriebliche Jugend- und Auszubildendenversammlung einzuberufen. Hierbei können zusätzlich zu den in § 70 BetrVG aufgeführten Themen, alle tarif-, sozialpolitischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten behandelt werden.
cc) Schulungsanspruch
Mitglieder der JAV haben gem. § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG i. V. mit § 65 Abs. 1 BetrVG einen Anspruch auf die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen ohne Minderung ihres Entgelts.
Dieser Anspruch besteht ausschließlich für Veranstaltungen, deren Inhalt für die Arbeit der JAV wichtig ist und insofern für die JAV-Arbeit erforderliches Wissen vermittelt. Besonders zu berücksichtigen sind dabei die in der Regel altersbedingten geringeren Kenntnisse der JAV-Mitglieder, die nur durch Schulungs- und Bildungsmaßnahmen gefördert werden können.
Hinweis
Der Beschluss über die Teilnahme an einem Seminar muss vom Betriebsrat (nicht von der JAV) gefasst werden.
Die Pflichten der JAV umfassen nach § 61 Abs. 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) alle Angelegenheiten sozialer, personeller oder wirtschaftlicher Art, die die Jugendlichen und Auszubildenden im Betrieb direkt oder indirekt berühren.
Das beinhaltet im Wesentlichen:
Rechtsvorschriften, die Jugendliche und Auszubildende betreffen, müssen in der Dienststelle eingehalten werden. Darüber zu wachen gehört ebenso zu den Rechten, wie zu den Pflichten einer JAV (§ 61 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG). Unter diese Vorschriften fallen:
Die Überwachung dieser Vorschriften und gesetzlichen Regelungen kann eine JAV selbstständig durchführen, z.B. mit einer Betriebsbegehung.
Stellt sie Verstöße gegen geltende Rechte oder Vorschriften fest, muss sie sich zunächst an den PR wenden. Nur dieser kann die Einhaltung der Rechte bei der Dienststellenleitung einfordern.
Alle Mitglieder und Ersatzmitglieder der JAV sind nach § 10 Abs. 1 BPersVG verpflichtet, über Angelegenheiten, die ihnen bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren.
Mit der Geheimhaltungspflicht soll dafür gesorgt werden, dass die JAV alle für ihre Arbeit relevanten Informationen erhält – auch wenn sie brisant sind.
aa) Keine Geheimhaltung gegenüber anderen JAV-Mitgliedern
Es besteht keine Geheimhaltungspflicht gegenüber anderen JAV-Mitgliedern oder Mitgliedern anderer Organe und Institutionen, die unter § 10 Abs. 1 BPersVG aufgeführt sind. Die JAV-Mitglieder haben sogar die Verpflichtung, sich gegenseitig geheimhaltungsbedürftige Informationen mitzuteilen. Nur auf dieser Grundlage kann eine JAV kompetente Entscheidungen treffen.
bb) Persönlichkeitsschutz
Unabhängig von Geheimhaltungspflichten zu betrieblichen Tatsachen bestehen für die JAV-Mitglieder auch die Verpflichtungen des Persönlichkeitsschutzes. Die JAV-Mitglieder müssen vertrauliche Angaben über Beschäftigte geheim halten, wenn sie diese im Rahmen ihrer JAV-Tätigkeit erhalten haben. Diese Regelung betrifft insbesondere die Weitergabe an die Dienststellenleitung, Vorgesetzte und an andere Beschäftigte.
cc) Keine generelle Schweigepflicht bei JAV- und Personalratssitzungen
Zum Inhalt der Sitzungen besteht keine generelle Schweigepflicht. Aus den Aufgaben des PR oder der JAV kann sich aber eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber den Arbeitgebern ergeben, um z. B. das Vorgehen des PR oder der JAV gegenüber der Dienststellenleitung nicht zu gefährden.
Achtung
Zusätzlich zu den oben dargestellten generellen Rechten und Pflichten, die der Jugend- und Auszubildendenvertretung als Gremium innewohnen, hat der Arbeitgeber besondere Schutzregeln für die einzelnen, gewählten Mitglieder der JVA zu beachten.
Zunächst verpflichtet der § 78a Abs. 1 BetrVG den Arbeitgeber, der ein JAV-Mitglied nach erfolgreicher Ausbildung nicht übernehmen will, die dem Auszubildenden rechtzeitig vor Beendigung des Ausbildungsverhältnisses mitzuteilen.
Beantragt ein JAV-Mitglied innerhalb der letzten drei Monate vor Beendigung seines Berufsausbildungsverhältnisses schriftlich vom Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit, kommt dies zustande. In diesem Fall kann gemäß § 78a Abs.4 BetrVG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis lediglich durch ein Gericht verhindert bzw. wieder aufgelöst werden.
Übergangs- und Restmandat: Was ist das und wann kommt es zum Tragen?
Sowohl bei der Spaltung von Betrieben, als auch bei der Zusammenlegung verschiedener betrieblicher Einheiten können sich Konstellationen ergeben, in denen – gäbe es kein Übergangsmandat – zeitweise ein betriebsratsloser Zustand einträte.
Der hierdurch entstehende „mitbestimmungsfreie Raum“, könnte von Arbeitgebern beispielsweise zur Durchführung von Betriebsänderungen ohne Interessenausgleich- und Sozialplanverfahren oder für andere mitbestimmungspflichtige Maßnahmen genutzt werden könnte.
Dies wollte der Gesetzgeber verhindern und hat im Jahr 2001 die Aufnahme eines allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Übergangmandates in § 21 a BetrVG eingeführt.
Das Übergangsmandat nach § 21 a BetrVG kommt sowohl bei Betriebsspaltungen als auch bei der Zusammenlegung von Betrieben und/oder Betriebsteilen in Betracht.
Die Spaltung von Betrieben und die Zusammenlegung von Betrieben und/oder Betriebsteilen stellt eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG dar.
Die Voraussetzungen einer Betriebsänderung sollen nachfolgend kurz erläutert werden.
Eine Betriebsänderung setzt voraus, dass es sich um ein Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten handelt.
Die Unterscheidung zwischen einem Betrieb und einem Unternehmen ist für die Beurteilung, ob eine Betriebsänderung vorliegt, absolut wesentlich.
Unter einem Betrieb ist die organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer ein Arbeitgeber mithilfe von sachlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgt, die sich nicht nur in der Befriedigung von Eigenbedarf erschöpfen.
Ein weiteres essenzielles Kriterium für einen Betrieb ist das Vorhandensein eines einheitlichen Leistungsapparats, durch den die in einer Arbeitsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft gesteuert wird.
Einfacher formuliert: In einem Betrieb werden Arbeitsmittel (Arbeitnehmer, Maschinen, Patente etc.) zusammengefasst, um ein Arbeitsergebnis zu erzielen. Das kann ein Gegenstand (Auto), aber auch eine Dienstleistung sein. Auch im Haushalt wird ein arbeitstechnischer Zweck verfolgt, dieser dient allerdings der Befriedigung von Eigenbedarf, sodass kein Betrieb im eigentlichen Sinne vorliegt.
Achtung:
Damit hängt das Vorliegen eines Betriebs entscheidend von der Organisation des Arbeitgebers ab.
Unter einem Unternehmen ist hingegen nicht die organisatorische, sondern die wirtschaftliche Einheit zu verstehen, mit der der Unternehmer seine wirtschaftlichen oder ideellen Zwecke verfolgt.
Das Unternehmen setzt darüber hinaus einen einheitlichen Rechtsträger voraus. Rechte und Pflichten können nur für einen und gegen einen Rechtsträger bestehen. So bestehen beispielsweise die Arbeitsverhältnisse nicht zwischen Arbeitnehmer und Betrieb, sondern zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen.
Tipp:
In Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten können Betriebsänderungen vom Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrats nach § 111 BetrVG durchgeführt werden.
Achtung:
Hiervon unberührt bleiben die Informationsansprüche nach § 80 Abs. 2 BetrVG und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten (also beispielsweise bei Versetzungen als Folge der Betriebsänderung) und das Anhörungsrecht des Betriebsrats bei Kündigungen.
Eine Betriebsänderung ist auch dann mitbestimmungspflichtig, wenn ein Unternehmen mehrere Betriebe unterhält, die zwar alle jeweils nicht mehr als 20 Arbeitnehmer zählen, im Rahmen einer Maßnahme aber eine Betriebsänderung beabsichtigt ist, die mehrere Einzelbetriebe betrifft, wenn von dieser Maßnahme jedenfalls mehr als 20 Arbeitnehmer betroffen sind.
Die Betriebsänderung muss zu „wesentlichen Nachteilen“ für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft führen.
Wesentliche Nachteile liegen beispielsweise bei Entlassungen, Verdienstminderung oder längeren Arbeitswegen vor.
Tipp:
Nach der Rechtsprechung genügt es bereits, dass solche Nachteile möglicherweise eintreten. Die Nachteile werden in den Fällen des § 111 S. 3 Nr. 1–5 BetrVG vermutet, sodass dieses Kriterium praktisch weniger von Bedeutung ist.
Für die Beurteilung, ob erhebliche Teile der Belegschaft von der Betriebsänderung betroffen sind, greift das BAG auf die in § 17 KSchG genannten Schwellenwerte zurück.
Danach müssen
betroffen sein.
Achtung:
Für die Beurteilung, ob erhebliche Teile der Belegschaft von der Betriebsänderung betroffen sind, reicht bereits aus, dass die Belegschaft infolge einer einheitlichen unternehmerischen Entscheidung, die zur Betriebsänderung führt, Nachteile erleiden könnte.
Die Betriebsspaltung und die Zusammenlegung von Betrieben und/oder Betriebsteilen soll nachfolgend im Hinblick auf das Übergangs- und Restmandat erläutert werden.
Das Übergangsmandat nach § 21 a Abs. 1 BetrVG entsteht nur dann, wenn eine Betriebsspaltung vorliegt.
Eine Betriebsspaltung liegt immer dann vor, wenn ein Betrieb in zwei oder mehr Teile aufgegliedert wird und der Ursprungsbetrieb hierdurch seine Identität verliert und damit untergeht.
Von einer Betriebsspaltung ist auch im Falle einer Betriebsabspaltung oder Ausgliederung auszugehen, also dann, wenn die Identität des Ursprungsbetriebs bestehen bleibt und nur kleinere Teile abgespalten werden.
Die Spaltung von Betrieben darf nicht mit der Spaltung von Unternehmen verwechselt werden.
Mit der Unternehmensspaltung geht eine Teilung des Rechtsträgers einher.
Zu einer Betriebsspaltung hingegen kann es auch ohne Teilung des Rechtsträgers kommen.
Denkbar ist hier sowohl die Gestaltung, dass der bislang einheitliche Betrieb unter Verlust der bisherigen Betriebsidentität in zwei oder mehrere selbstständige neue Betriebe aufgeteilt wird.
Ebenso möglich ist, dass von dem fortbestehenden bisherigen Betrieb ein kleinerer Teil oder mehrere kleinere Teile abgespalten und verselbständigt oder in neue Betriebe eingegliedert werden.
Eine solche Spaltung kann auch in der Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs zu erblicken sein.
Der „klassische“ Anwendungsfall für das Übergangsmandat gemäß § 21 a Abs. 1 BetrVG stellt die räumlich-organisatorische Ausgliederung eines Betriebsteils und dessen selbstständige Fortführung dar.
Schaubild 1
Ein Übergangsmandat kommt auch dann in Betracht, wenn der ursprüngliche Betrieb durch zahlreiche Abspaltungen seine Identität einbüßt und hierdurch der bisherige Betriebsrat sein auf den Ausgangsbetrieb bezogenes Mandat verliert.
Auch in diesem Fall soll dem (bisherigen) Betriebsrat hinsichtlich der abgespaltenen Betriebsteile ein Übergangsmandat zukommen, auch wenn der Betriebsrat sein eigentliches Mandat in Bezug zum Ursprungsbetrieb bereits eingebüßt hat.
Achtung:
Als Voraussetzung für ein Übergangsmandat muss stets hinzukommen, dass der vom ursprünglichen Betrieb abgetrennte Betriebsteil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrVG erfüllt, d. h. dass in ihm mindestens fünf ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer, von denen drei wählbar sein müssen, beschäftigt werden.
Ansonsten könnte der mit dem Übergangsmandat verknüpfte Zweck nicht erfüllt werden. Insbesondere könnte die Wahl eines Betriebsrates im abgespaltenen Betriebsteil nicht wirksam eingeleitet werden.
Achtung:
Ein Übergangsmandat nach § 21 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG scheidet aus, wenn die abgespaltenen Betriebsteile in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem bereits ein Betriebsrat vorhanden ist.
In diesem Fall kann nämlich kein zu überbrückender betriebsratsloser Zeitraum entstehen. Vielmehr ist es so, dass sich die Zuständigkeit des Betriebsrates des aufnehmenden Betriebs sofort zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses auf die aufgenommenen Betriebsteile erstreckt.
Anders verhält es sich nur dann, wenn die Eingliederung des Betriebsteils in einen betriebsratslosen Betrieb erfolgt.
Schaubild 2
In diesem Fall kann für die Mitarbeiter des abgespaltenen Betriebsteils eine betriebsratslose Übergangsphase entstehen, sodass vom Gesetzeszweck her ein Übergangsmandat in Betracht kommt.
Bei der Zusammenlegung von Betrieben sind grundsätzlich zwei Arten zu unterscheiden. So ist es denkbar, dass zwei bislang selbstständige Betriebe zu einer neuen Einheit verbunden werden. Es entsteht ein neuer Betrieb mit einer eigenen Identität, es erfolgt mithin ein echter Zusammenschluss.
Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass ein bestehender Betrieb einen anderen Betrieb aufnimmt. Auch bei einer derartigen Eingliederung handelt es sich um einen Zusammenschluss im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG.
Die Regelung des § 21 a Abs. 2 BetrVG regelt das Übergangsmandat für die Fälle der Zusammenlegung von Betrieben bzw. Betriebsteilen.
Die Regelung des § 21 a Abs. 2 BetrVG betrifft die Fälle der Zusammenlegung von ganzen Betrieben.
Hier soll das Übergangsmandat demjenigen Betriebsrat zukommen, der im bislang größten Ausgangsbetrieb amtiert hat.
Zu einer Zusammenlegung kommt es auch, wenn aus mehreren Betrieben Betriebsteile herausgelöst und ihrerseits zu einem neuen Betrieb zusammengefasst werden.
So kann ein Produktionsunternehmen, das in zwei Betrieben jeweils Vertriebsabteilungen unterhält, diese Einheiten aus den Betrieben herauslösen, an einem verkehrstechnisch günstigen Standort zusammenfassen und einer eigenständigen Vertriebs-GmbH zuordnen.
Schaubild 3
In diesem Fall steht nach § 21 a Abs. 2 S. 1 BetrVG das Übergangsmandat dem Betriebsrat zu, dem der größte der an der Zusammenlegung beteiligten Betriebsteile zugeordnet war.
Ausschlaggebend ist hierbei die Zahl der wahlberechtigten Mitarbeiter in den ausgegliederten und zusammengelegten Betriebsteilen.
Achtung:
Bei der Berechnung der wahlberechtigten Mitarbeiter, ist auf den Zeitpunkt der Zusammenlegung abzustellen.
Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Betriebsrat mit dem höchsten Grad an demokratischer Legitimation das Übergangsmandat ausübt.
Das Schicksal des Übergangsmandates ist jedoch dann streitig, wen einzelne der Ausgangsbetriebe nicht über einen Betriebsrat verfügen.
Die Regelung des § 21 a Abs. 2 BetrVG weist bei der Zusammenlegung mehrerer Einheiten demjenigen Betriebsrat das Übergangsmandat zu, der bislang für den Betrieb bzw. Betriebsteil mit den meisten Arbeitnehmern zuständig war.
Zwar fehlt es jenem Betriebsrat hinsichtlich der von ihm bislang noch nicht betreuten Betriebsteile an der direkten Legitimation. Ausschlaggebend ist jedoch, dass für jeden neu entstehenden Betrieb nur ein Übergangsmandat bestehen darf.
Wenn einzelne der Ausgangsbetriebe nicht über einen Betriebsrat verfügen, stellt sich die Frage, ob der bestehende Betriebsrat dennoch für den gesamten neuen Betrieb das Übergangsmandat ausübt, oder ob sich seine Übergangszuständigkeit nur auf diejenigen Arbeitnehmer des neuen Betriebs erstreckt, für die er bereits vor Durchführung der Umwandlung zuständig war.
Im Ergebnis bezieht sich das Übergangsmandat stets auf den gesamten (neuen) Betrieb und umfasst grundsätzlich auch bisher betriebsratslose Betriebe und Betriebsteile.
Ein lediglich auf bestimmte Betriebsteile bezogenes Übergangsmandat wäre nämlich nicht praktikabel und verstieße gegen den Grundsatz, dass Mitbestimmungsrechte nur für einen einheitlichen Betrieb ausgeübt werden können.
Achtung:
Wenn derjenige Betrieb oder Betriebsteil, dem die größte Zahl wahlberechtigter Arbeitnehmer zugeordnet war, betriebsratslos ist, nimmt der Betriebsrat, der für die nächstgrößere Einheit zuständig war, das Übergangsmandat wahr.
Das Übergangsmandat gemäß § 21 a Abs. 1 BetrVG gewährt den Arbeitnehmern eines abgespaltenen Betriebsteils bzw. eines Betriebs, der mit anderen Betrieben zusammengelegt wird, einen betriebsverfassungsrechtlichen Schutz vor betriebsratslosen Zuständen.
Dieser Schutz gilt grundsätzlich bis zur Wahl eines Betriebsrates im „neuen“ Betrieb, längstens jedoch sechs Monate nach Wirksamwerden der Spaltung.
Maßgeblich für den Fristbeginn ist die tatsächliche Durchführung der Betriebsspaltung oder der Zusammenlegung.
Achtung:
Die Dauer des Übergangmandates kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung um sechs weitere Monate verlängert werden.
Der bisherige Betriebsrat führt während des Übergangsmandates die Geschäfte für den jeweiligen Betriebsteil oder Betrieb weiter. Er übt also die ihm zustehenden Beteiligungsrechte hinsichtlich dieser betrieblichen Einheiten und der dazugehörenden Arbeitnehmer weiter aus (Vollmandat) und hat darüber hinaus die Wahl eines Betriebsrates einzuleiten.
Besondere Schwierigkeiten können auftreten, wenn der mit dem Übergangsmandat ausgestattete Betriebsrat gerichtliche Verfahren einleitet, die innerhalb seines Mandates nicht mehr zu Ende geführt werden können.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der das Übergangsmandat ausübende Betriebsrat jene Verfahren nicht bis zu Ende fortführen kann.
Achtung:
Wenn bereits ein neuer Betriebsrat demokratisch legitimiert wurde, ist jegliches Recht des alten Betriebsrates erloschen. Das bedeutet, dass der neue Betriebsrat „Herr“ der eingeleiteten Verfahren wird und autonom entscheiden kann, ob und wie er diese fortführen möchte.
Tipp:
Kommt der mit dem Übergangsmandat betraute Betriebsrat seinen Verpflichtungen nicht nach, bestellt er insbesondere keine Wahlvorstände, kann die Bestellung gemäß § 16 Abs. 2 BetrVG durch das Arbeitsgericht erfolgen.
Während der Dauer des Übergangsmandates bleibt der Betriebsrat in seiner bisherigen personellen Zusammensetzung bestehen.
Achtung:
Sollten einzelne Betriebsratsmitglieder dem ausgegliederten Betriebsteil und daher nicht mehr dem Ursprungsbetrieb angehören, bleiben sie dennoch für die Dauer des Übergangsmandates Mitglieder des Betriebsrats.
Ansonsten bestünde nämlich keinerlei personelle Verknüpfung mehr zwischen dem das Übergangsmandat ausübenden Betriebsrat und den bisherigen Mitgliedern, die in dem betroffenen Betriebsteil beschäftigt sind.
Dies würde die sinnvolle Handhabung des Übergangsmandates erschweren.
Das Restmandat ist anders als das Übergangsmandat kein Vollmandat, sondern lediglich ein nachwirkendes Mandat, das durch die mit der Abwicklung des Betriebs einhergehenden betriebsverfassungsrechtlichen Rechte konkretisiert wird.
Das Restmandat des Betriebsrats ist dazu bestimmt, die Arbeitnehmervertretung in denjenigen Fällen aufrechtzuerhalten, in denen das Betriebsratsamt enden würde. Diese betriebsratslose Übergangsphase wäre wegen der Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach den §§ 111 ff. BetrVG für den Betrieb und die Arbeitnehmer nicht hinnehmbar ist.
Achtung:
Das Restmandat erfasst in erster Linie die sich aus den Vorschriften der §§ 111 ff. BetrVG ergebenden Beteiligungsrechte des Betriebsrats.
Das Übergangsmandat beginnt, mit dem Wirksamwerden der tatsächlichen Durchführung der Betriebsstilllegung, Betriebsspaltung bzw. -zusammenfassung, die sich am Zeitpunkt der Übernahme der neuen Leitungsmacht manifestiert. Bis zum Untergang eines Betriebs übt der Betriebsrat seine Rechte uneingeschränkt aus.
Das Restmandat hingegen sorgt dafür, dass er sie in dem von § 21b BetrVG geschützten Umfang auch nach dem Untergang des Betriebs wahrnehmen kann.
Die Stilllegung eines Betriebs ist die Aufhebung der Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern für einen nach seiner Dauer unbestimmten, wirtschaftlich nicht unerheblichen Zeitraum.
Dem Betriebsrat steht im Falle einer Betriebsstilllegung ein Restmandat zu. Der Betriebsrat kann auch noch nach der Betriebsstilllegung und der Beendigung aller Arbeitsverhältnisse die Aufstellung eines Sozialplans fordern und einen darauf gerichteten Spruch der Einigungsstelle anfechten. Das Restmandat erfasst auch die Pflicht, einen bereits abgeschlossenen, aber noch nicht erfüllten Sozialplan an veränderte Umstände anzupassen.
Das Restmandat bezieht sich auch auf Aufgaben, die sich daraus ergeben, dass trotz der Stilllegung des Betriebs noch nicht alle Arbeitsverhältnisse beendet sind oder einzelne Arbeitnehmer noch für eine gewisse Zeit mit Abwicklungsarbeiten beschäftigt werden.
Ein Restmandat kommt ferner bei einer Betriebsaufspaltung in zwei oder mehrere Betriebe in Betracht, die entweder als eigenständige Betriebe fortgeführt oder in andere Betriebe eingegliedert werden.
Das gilt unabhängig davon, ob mit der Spaltung auch ein Betriebsinhaberwechsel verbunden ist. Die Spaltung darf sich nicht darin erschöpfen, die betriebliche Tätigkeit eines Betriebsteils zu beenden.
Auch in Fällen der Zusammenlegung von Betrieben, die nach § 111 S. 2 Nr. 3 BetrVG stets eine Betriebsänderung darstellt, kommt ein Restmandat der bisherigen Betriebsräte in Betracht.
Die Zusammenlegung von Betrieben kann in der Weise erfolgen, dass der eine in den anderen eingegliedert wird oder dass aus den zusammengelegten Betrieben ein neuer Betrieb gebildet wird.
Im ersten Fall geht der eingegliederte Betrieb unter, im letzten Fall die zusammengelegten Betriebe.
Konnten die Betriebsräte der zusammengelegten oder der eingegliederten Betriebe ihre Beteiligungsrechte nach §§ 111 ff. BetrVG nicht rechtzeitig vor der Zusammenlegung oder Eingliederung wahrnehmen, bleibt ihnen insoweit (z. B. zur Aufstellung des Sozialplans) ein Restmandat.
Die Ausübung des Restmandats ist in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt. Die Mitgliedschaft im restmandatierten Betriebsrat endet nicht durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds. Es dauert so lange an, bis die dem Restmandat zuzuordnenden Aufgaben abgeschlossen sind und die das Restmandat ausübenden Betriebsratsmitglieder hierzu bereit sind.
Das Restmandat kann daher noch längere Zeit nach Abschluss der Stilllegung bzw. Spaltung oder der Zusammenlegung zum Tragen kommen, beispielsweise bei der Abänderung oder der Ergänzung von Sozialplänen.
In jedem Fall endet es mit der Amtsniederlegung der letzten verbliebenen Betriebsratsmitglieder.
Wir haben Ihnen in diesem Beitrag die Voraussetzungen der Entstehung von Übergangs- und Restmandaten aufgezeigt. Wir hoffen Ihnen die Problemstellungen, die im Zusammenhang mit der Spaltung und Zusammenlegung von Betrieben auftreten können, näher gebracht und Ihnen Anhaltspunkte für die Praxis an die Hand gegeben zu haben.